Wo viele sagen: «Igitt!», «Wäääh!», «Gruuusig!», kommt Bährahm Alagheband so richtig ins Schwärmen. Wanzen, Käfer, Ameisen, Zikaden, Heuschrecken und andere Insekten sind seine Passion. Schon als Kind hatte er auf dem Schulweg tote Insekten aufgespürt und sie wie Schätze nach Hause getragen, aufbewahrt und gesammelt. Die Faszination ist bis heute geblieben.
Bis zum 18. August 2024 ist er mit seiner Ausstellung «Insekten-Geschichten aus dem Dschungel» zu Gast im GartenHaus Zuchwil. Die Dschungel-Ausstellung ist auch ohne Führung eine Entdeckungsreise! Die Insektenbilder und -videos werden begleitet von tropischen Pflanzen und vielen spannenden Informationen.
Wenn Bähram Alagheband von den fliegenden, kriechenden und krabbelnden Miniaturen erzählt, vergeht die Zeit wie im Flug. Die Begeisterung des Solothurner Tierfotografen und -filmers ist ansteckend. Nach einem seiner Vorträge oder nach einer Führung schaut man diese Spezies mit anderen Augen an.
Wyss: Was beeindruckt dich dermassen an Insekten?
Bährahm Alagheband: Insekten sind unglaublich vielfältig was Formen, Farben und Fähigkeiten angehen. Manche setzen quasi ein Anti-Schimmel-Mittel ein, um ihre Beute länger konservieren zu können. Andere sehen aus wie gefährliche Wespen, dabei sind es «nur» harmlose Schmetterlinge. Es sind die unglaublichen und spannenden Geschichten der Insekten-Welt, die mich faszinieren.
Wyss: Hattest oder hast du auch «konventionelle» Haustiere wie Hund, Katze, Hamster?
Bährahm Alagheband: Ja wir hatten ein Kaninchen und drei Schildkröten. Die haben mich aber als Kind nicht so fasziniert. Das Biotop hingegen, das packte mich. Dort habe ich unzählige Stunden verbracht mit Beobachten.
Wyss: Welches ist dein Lieblingsinsekt und wo lebt es?
Bährahm Alagheband: Hui, das wechselt ständig. Der Sandlaufkäfer ist faszinierend, weil er unglaublich schnell rennen kann. Wäre es ein Mensch, wären es mehrere 100 Kilometer pro Stunde. Oder die Grosse Sägeschrecke (Foto), eine riesige Heuschrecke von 8 cm und mehr, die andere Insekten frisst und sich ohne Männchen fortpflanzen kann.
Oder die Goldwespe (Foto), die nur ca. 1 cm gross ist, aber in allen Farben leuchtet und einen stahlharten Panzer hat, um nicht von Bienen gestochen zu werden. Diese Tiere sind mit aktuell in der neuen
SRF-Serie «Krabbeltiere» auf Youtube und
auf SRF Play zu sehen. Dort erzähle ich die spannendsten Geschichten über Schweizer Insekten und zeige meine Aufnahmen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe.
Wyss: Gibt es ein Insekt, vor dem auch du dich ekelst?
Bährahm Alagheband: Nun ja, wenn sie parasitär sind und den Menschen als Wirt benützen, «tschudderet’s» mich dann manchmal schon auch. Im Dschungel gibt’s eine Fliege, die das macht. Gefährlich ist sie nicht, aber es kann recht schmerzhaft werden. Ich hatte sie noch nie in mir drin und weiss nicht, ob das nun spannend sein könnte oder viel zu schmerzhaft.
Wyss: Welches ist aus deiner Sicht das unnützeste und welches das nützlichste Insekt?
Bährahm Alagheband: Dazu habe ich eine klare Haltung: Kein Insekt ist unnütz. Eine Wespe vertilgt Schädlinge, eine Stechmücke ist Nahrung für andere Tiere, manche Fliegen sind wichtige Bestäuber von Pflanzen. Sie sind alle nützlich, das ist einzig nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich.
Wyss: Bist du zu jeder Jahreszeit auf Insekten-Pirsch und wann ist es am interessantesten?
Bährahm Alagheband: Im Winter arbeite ich an Insektenprojekten im Büro meiner Insects and stories GmbH und bin nicht draussen. Obwohl’s auch spannend wäre, weil manche Schmetterlinge zum Beispiel überwintern. Ansonsten fängt die Saison teils bereits im Februar an und dauert manchmal bis in den November. Und auch hier gilt: Jede Saison hat ihre spannenden Momente, weil nicht alle Insekten immer unterwegs sind und auch «Saison» haben.
Wyss: Welche ist deine Lieblings-Insekten-Destination?
Bährahm Alagheband: Puuh, da gibt es viele. Ich mag das Wallis und den südlichen Teil der Schweiz, aber genauso den Solothurner oder den Aargauer Jura. Wenn ich nur einen Tag Zeit habe für Foto- und Dreharbeiten oder das Wetter unbeständig ist, gehe ich zum Beispiel gerne in den Naturpark Thal, Kanton Solothurn, oder in den Jurapark Aargau. Beides sind regionale Naturpärke der Schweiz. Im Jurapark bin ich zudem als Landschaftsführer, also Exkursionsleiter, unterwegs und zeige Interessierten die Insektenvielfalt. Ein Lieblingsort ist das Gebiet Nätteberg/Hessenberg, ein lichter Föhrenwald, der von Pro Natura betreut wird und zum Beispiel den Schmetterlingshaft oder Singzikaden beheimatet. Man/Frau nennt das Gebiet auch «die Toskana des Aargaus».
Wyss: Welches sind in der Schweiz die Insekten-Paradiese?
Bährahm Alagheband: Überall dort, wo ein Mosaik an verschiedenen Lebensräumen besteht, entstehen Insektenparadiese: Magerwiesen, Hecken, Waldränder, steiniger/kiesiger Untergrund (Fachbegriff: Ruderalfläche) und vieles mehr – das mögen Insekten. Und das kann auch in einer Siedlung der Fall sein: In Rothrist habe ich ein Jahr lang für den Kanton Aargau eine Fläche beobachtet und mit Fokus auf Insekten fotografisch festgehalten. Die Fläche beim Dorfmuseum wurde extra angelegt, hat genau dieses Mosaik und ich staune Jahr für Jahr wieder, was dort alles unterwegs ist an Insekten.
Wyss: Was ist für dich das Wertvollste, was du je vor die Linse bekommen hast?
Bährahm Alagheband: Wertvoll ist ein Begriff, der sowohl fotografisch wie biologisch aus Sicht der Biodiversität angeschaut werden kann. Fotografisch gesehen gibt es viele Bilder, die ich als schön oder wertvoll anschaue. Aus biologischer und fotografischer Sicht ist es wahrscheinlich das Bild von Chrysis chrysoprasina. Das ist eine sehr seltene Goldwespe, die in Italien bereits ausgestorben ist und kaum zu sehen oder fotografieren ist. 2022 habe ich sie im Wallis gefunden, habe seither versucht, sie wiederzufinden, aber gelungen ist mir das nicht. Auf Info Fauna Carto, der Schweizer Sichtungsplattform, gibt es von diesem Tier gerade mal vier Sichtungen.
Wyss: Wie lange bis du bereit, auszuharren für ein gutes Foto bzw. ein interessantes Video?
Bährahm Alagheband: Da investiere ich gerne mehrere Stunden. Klar ist das anstrengend, aber sonst wäre ich nicht im richtigen Job. Wenn ich dann später die Bilder anschaue und mich daran freue, ist jede Stunde richtig investiert.
Wyss: Welches Insekt würdest du gerne einmal vor die Linse bekommen und wo lebt es?
Bährahm Alagheband: Da gibt es viele, die ich gerne noch sehen würde. Das Kleine Nachtpfauenauge zum Beispiel, ein Nachtfalter mit einer Flügelspannweite von bis zu 9 cm und wunderschönen Farben. Soeben habe ich erstmals die Raupe dieses Falters auf einer Feuchtwiese in der Ostschweiz gesehen – Feuchtwiesen und Moore sind ein guter Lebensraum für diese Tiere. Doch genau solche Orte sind oder werden in der Schweiz rar. Früher hatten wir in der Schweiz 6 % Moorgebiete. Heute sind es noch 0.5 %.
Wyss: Wärst du ein Insekt, welches wärst du und warum?
Bährahm Alagheband: Wahrscheinlich der Sandlaufkäfer, den ich oben beschrieben habe. Er ist schnell, nimmt seine Umgebung sehr scharfsinnig war, sieht schön aus und hat tolle Geschichten zu bieten.
Wyss: Wie würdest du versuchen, jemandes Insekten-Phobie abzulegen?
Bährahm Alagheband: Nein, das würde ich nicht. Und ich glaube auch nicht, dass das funktioniert. Das ist auch nicht mein Ziel. Ich mag aber Leute und Kurs-/Exkursionsteilnehmende, die wenig oder nichts mit Insekten anfangen können. Mal für Mal kommen dann Leute am Schluss der Exkursion zu mir, schütteln mir die Hand und sagen Dinge wie, «das ist spannender als ich dachte» oder «ich laufe jetzt glaub anders und schaue mehr, was da unterwegs ist». Das Aha-Erlebnis ist bei Nicht-Insektenfans am grössten.
Bildlegenden:
Ölkäfer (Art: Veränderlicher Ölkäfer) ist giftig und hat ein Reiz- und Nervengift in sich. Früher wurden Käfer aus dieser Familie auch benützt, um Morde zu verüben.
Grosse Sägeschrecke, gefunden im Wallis 2023, frisst u. a. Gottesanbeterinnen.
Goldwespe, Tiere aus dieser Familie kann man in der ganzen Schweiz finden.
Bläuling, Aargau/Regionaler Naturpark Jurapark, 2023, kurz vor dem Schlafen. Dann sind sie besonders gut zu beobachten.
Weitere spektakuläre Insektenaufnahmen von Bähram Alagheband auf Instagram.
Interview: Christine Beuret, Wyss Samen und Pflanzen AG