Ein Hingucker sind sie immer, diese kleinen Bäume, wohl deshalb, weil sie nicht bloss kleine Bäume sind, sondern weil sie ein Stück Natur im Kleinen abbilden. Wer sich auf das Abenteuer Bonsai einlässt, investiert eine Menge Zeit, bekommt aber auch viel. So erfährt man unter anderem wieder bewusst Langsamkeit, die in der heutigen immer temporeicheren Zeit wichtiger denn je ist.
Für viele ist Bonsai zwar irgendwie faszinierend, aber doch nicht ganz geheuer. Schon schön, aber … kompliziert, heikel, teuer, unnatürlich, schwierig … Rund um das Thema existieren nicht wenige Zweifel. Wer mit einem Bonsai-Kenner spricht erfährt bald, dass jedermann mit Bonsai schöne Erlebnisse und Erfolge haben kann.
Interview mit Paul Heer, Bonsai-Club Wasseramt
Herr Heer, wie fanden Sie den Zugang zu Bonsai?
Vor mehr als zwei Jahrzehnten besuchte ich eine Ausstellung. Die wunderschön gestalteten Bäume zogen mich sofort in ihren Bann. Für mich war aber klar: Das bringst du nicht fertig. Es kam dann, dass wir später bei Freunden eingeladen waren, deren Nachbar Bonsai gestaltet. Lange schaute ich ihm über die Schultern, löcherte ihn mit Fragen. Damals steckte ich mit dem „Bonsai-Virus“ an. Seither trage ich es in mir. Nach einer Zeit des selber Ausprobierens bin ich einem Bonsai-Club beigetreten. Man profitiert so vom viel Wissen untereinander.
Was fasziniert Sie an Bonsai?
Das sind in erster Linie die interessanten und schönen Formen der verschiedenen Gewächse. Es ist einfach unglaublich spannend zu erfahren, was man mit einer Pflanze alles machen kann.
Was genau ist eigentlich ein Bonsai?
Bonsai bedeutet dem Wort nach: Baum in der Schale. Es kommt aus dem Japanischen: bon = Schale, sai = Pflanze. Bei Bonsai handelt sich um eine asiatische Gartenkunst, bei der Gehölze durch Schnitt und Pflege so gestaltet werden, dass sie in eine Schale eingepflanzt werden können. Bonsais werden aber nicht nur in Schalen gepflegt. Sehr natürlich wirkt beispielsweise eine Kiefer, die in einen Naturstein gepflanzt ist. Um die Bäume klein zu halten, werden die Wurzeln geschnitten, damit die Kraft in die Äste und den Stamm geht. Mit dem Drahten der Äste bekommt der Baum Form. Diese Kunst stammt ursprünglich aus China, wurde jedoch von den Japanern weiterentwickelt und perfektioniert.
Welche Rolle spielt das Gefäss? Worauf ist bei der Gefässwahl zu achten?
Das Gefäss soll die Schönheit der Pflanze unterstreichen, sie aber nicht konkurrieren. Wichtig ist immer ein guter Wasserabzug, so dass keine Staunässe entstehen kann. Dann gibt es gewisse Faustregeln für harmonische Proportionen: Die Länge der Schale soll 30 - 50 % der Bonsai-Höhe entsprechen, und das Verhältnis von Stammdicke zur Schalentiefe ist idealerweise 1 : 1.
Welche Bäume lassen sich als Bonsai ziehen?
Grundsätzlich alle Pflanzen, die verholzen. Bei manchen ist es einfacher, bei manchen schwieriger. Sehr gut funktioniert es mit Nadelgehölzen wie Wacholder, Lärche oder Kiefern. Bei den Laubbäumen sind z. B. Ahorn oder Hainbuche gut geeignet. Wer sehr Geduldig ist, kann es mit Buchs versuchen; aus ihm können prachtvolle Bonsai hervorgehen. Da Buchs sehr langsam wächst, dauert es lange bis man den Erfolg sieht. Schwieriger kann es mit Indoor-Bonsai werden. Diese Bäume werden in Gewächshäusern unter idealen Bedingungen gezüchtet und kommen dann mit unserem Wohnzimmerklima oft nicht zurecht.
Wann ist ein Bonsai ein schöner Bonsai?
Das ist zuallererst mal Geschmackssache: Einen schönen Bonsai habe ich, wenn er mir gefällt. Dann gibt es quasi eine „offizielle Schönheit“, wenn Bäume möglichst nahe an die Formen kommen, welche die Japaner vorgeben. Das ist dann von Bedeutung, wenn ein Baum an einer internationalen Ausstellung bewertet werden soll.
Wie gehen Sie mit der Kritik um, Bonsai-Gestaltung sei ein Eingriff in die Natur, quasi „Vergewaltigung“ an der Pflanze?
Mit einer Selbstverständlichkeit schneiden wir Rosen, Obstbäume, bringen Hecken in Form …
Warum soll was bei anderen Gartenarbeiten richtig und gut ist, bei der Bonsai-Gestaltung schlecht sein?
Wie kommt man zu einem Bonsai?
Rohmaterial ist in Gartencentern und Baumschulen erhältlich. Auch der eigene Garten kann vielversprechende Rohlinge liefern, z. B. überflüssige Heckenpflanzen; und wahre „Schatztruhen“ können ältere Gärten von Bekannten sein, die umgestaltet werden sollen. Ganz Geduldige können es mit Stecklingen versuchen. Ein stattlicher Stamm entwickelt sich nicht innert Monaten. Die schnelle Variante ist, im Fachhandel oder an einer Ausstellung einen fertigen Bonsai zu erwerben.
Schöne Bonsais sind nicht billig; hinzu kommt die Anschaffung von Werkzeug. Ein teures Hobby?
Wie die meisten Hobbys kann man auch dieses teurer oder günstiger gestalten. Am billigsten ist es, wenn ich die Bäume selber gestalte. Wer einen Garten hat, kommt allenfalls kostenlos zu interessantem Rohmaterial. Wenn ich fertige Bonsais kaufe, kann es teuer werden. Kleinere, junge Bäume gibt es bereits ab etwa 100 Franken; alte Exemplare, die seit vielen Jahren gestaltet werden, können mehrere Tausend Franken kosten. Die Grundausrüstung (Draht, Gitter, diverse Scheren und Zangen) für Einsteiger kostet rund 250 Franken.
Was alles gehört zur Bonsai-Pflege?
Zur Grundpflege gehört das Giessen (bei heissem Wetter im Sommer täglich), das monatliche Düngen und das Umtopfen alle 2 - 3 Jahre. Zwischendurch stehen Arbeiten wie Rückschnitt/Formschnitt, Drahten und Wurzelschnitt an. Wie ihre grossen Vorbilder können auch Bonsais von Schädlingen befallen oder von Krankheiten heimgesucht werden. Je nach Bedarf gehört der Pflanzenschutz mit zu den Pflegearbeiten.
Wie viel Zeit muss man dafür aufwenden?
Das ist sehr individuell. Wie viele Bäume sind es? Was sind es für Bäume? Dazu kann ich keine Pauschalangabe machen. Dennoch ein kleines Beispiel: Im Sommer wende ich täglich eine Stunde allein fürs Giessen auf, damit meine ca. 25 fertigen Bäume (vorwiegend Nadelgehölze) und einiges Rohmaterial gut gedeiht.
Was empfehlen Sie Einsteigern? Gibt es Pflanzen, die speziell geeignet sind?
Empfehlenswert ist sicher, einen Einsteigerkurs zu besuchen. Interessierte erfahren so bei praktischer Arbeit, ob dies auf Dauer etwas für sie ist. Bonsai-Gestaltung ist ein langfristiges Vorhaben. Es gibt auch gute Fachliteratur. Was die Pflanzen anbelangt rate ich, Arten zu wählen, die unser Klima gewohnt sind.
Welches sind die grössten Anfänger-Fehler?
Der häufigste Fehler ist, das Giessen zu vernachlässigen. Der für die Pflanze folgenschwerste Fehler ist ein Wurzelschnitt zum falschen Zeitpunkt.
Was zeichnet eine/n gute/n Bonsai-Gestalter/in aus?
Grundvoraussetzungen sind Geduld und Freude an Pflanzen. Hilfreich ist zudem ein gutes Vorstellungsvermögen, sich ausmalen zu können, was aus einem Rohling werden kann. Wie bei so vielem gilt auch in der Bonsai-Gestaltung: Übung macht den Meister.
Viele Interessierte lassen die Finger von Bonsai, weil sie nicht wissen, wo sie die Pflanzen im Winter unterbringen sollen. Was raten Sie ihnen?
Ins Wohnzimmer gehört ein Bonsai sowieso nicht, ausser es handelt sich um einen Zimmerbonsai. Genauso wie eine 30-Meter-Lärche in den Bergen, bleibt auch die Bonsai-Lärche in den kalten Monaten draussen. Einheimische Arten überwintern z. B., indem wir die Schalen im Garten unter einer ca. 5 cm dicken Erd- oder Mulchschicht vergraben. Die Kronen werden nicht eingepackt. Je nach Form des Baums ist darauf zu achten, dass nicht Äste aufgrund von Schneelast abbrechen. Grosse Kübel kann man mit Luftpolster-Folie einpacken und auf Holz oder Styropor stellen. Azaleen stelle ich ins ungeheizte Gewächshaus auf ein Holzgestell und decke sie bei sehr starker Kälte mit einem Vlies ab. Für nicht winterharte Gehölze wie Oliven oder Kork-Eichen ist ein beheiztes Gewächshaus erforderlich. Nicht vergessen: Auch im Winter benötigen Bonsais Wasser.
Herr Heer, ich danke Ihnen für den spannenden Einblick in die Welt der Bonsais. Ihr Schlusswort?
Es lohnt sich, den Bonsai-Garten im Wyss GartenHaus in Zuchwil, der in Zusammenarbeit mit dem Bonsai-Club Wasseramt entstanden ist, zu besuchen. Auf 270 m2 sind bis zum 28. September 2013 vom Ginkgo im üppigen saftig-grünen Blätterkleid über den filigranen Fächer-Ahorn bis zur knorrigen Kiefer viele Arten zu sehen, Mini-Exemplare genauso wie stattliche Gartenbonsais. Markante Steine und asiatische Steinlaternen bereichern die Ausstellung zusätzlich. Schliesslich gestatte ich mir noch etwas Eigenwerbung: Der Bonsai-Club Wasseramt ist am Sommergarten-Festival vom 23. bis 25. August 2013 bei Wyss in Zuchwil mit einem Stand vertreten. Gerne beantworten wir dort Fragen rund um dieses faszinierende Thema.
Wyss Samen und Pflanzen AG, Christine Beuret